Sprache wie "herabfallendes Geröll"
Ingwë greift sich an den Kopf, Finwë verdreht die Augen, die anderen Elben blicken verstört; auch Rúmil zuckt zusammen, hört aber dann aufmerksam hin, wenn Geräusche an ihr Ohr dringen, die wie Arqmëz, Tulukhastãz, Mäxananaškad, Ibrĩniðilpathänezel, Nœxœrra oder Phanaikelüth klingen.
Für Elbenohren sind es unangenehme Geräusche - oder sind es Worte? Es handelt sich aber weder um die Black Speech (welche den Elbenohren bekanntlich weh tut), noch um eine Ork-Sprache, noch um das als unschön erachtete Zwergisch. Was da den Elben widerfährt, ist „wie das Glitzern von Schwertern“ sagt Finwë, „wie das Herabfallen von Steinen in den Bergen“ sagt Ingwë, „wie das Rascheln von Blättern in starkem Wind“, sagt Rúmil. Er und Fëanor gehören zu den ganz wenigen Elben, die sich für die Sprache der VALAR interessieren und sie zu verstehen und zu erlernen versuchen.
„Wir wollen das nicht hören, das ist unschön“, sagt ein Elbenkind in der Schule zum Sprachenlehrer Rúmil. „Wir brauchen das gar nicht zu lernen“, meint ein zweites, „Wir schaffen das nicht, das kann man ja nicht aussprechen!“, sagt ein drittes. Rúmil, der Weise, argumentiert verzweifelt: “Aber Kinder, allein aus Ehrfurcht und Respekt vor Manwë....., und wie kann man die Sprache der Valar unschön nennen....? Seht, es gibt doch einige, die sich dafür interessieren!“ und er zeigt auf einen Elbenbuben, der gebückt über einem Heft sitzt. „Ach, der Fëanor“, spötteln die Kinder, „der will nur angeben, der ist ein Streber, und er tut noch dazu immer so geheimnisvoll!“.
Arqmez ist einer der Namen von Oromë, Tulukhastãz steht für Tulkas, Mäxananaškad für Mahanaxar (der Kreis um die Götter-Throne), Ibrĩniðilpathänezel für Telperion, nœxœrra für Nahar, Phanaikelüth für Ithil, den Mond. Ja, die Valar hatten eine eigene Sprache!
Tolkien war ein besessener Linguist und Philologe und widmete sein schöpferisches Leben einerseits der Schaffung seiner Kosmologie andererseits dem Entwickeln seiner Kunstsprachen. Diese bettete er in seine Mythologie ein bzw. baute er seine Mythologie um die Kunstsprachen herum auf. Er stellte Sprachtheorien über das 'Schicksal' der Sprachen im Laufe der Geschichte auf, verfasste diverse Etymologien, beschrieb grammatikalische und morphologische Abwandlungen und Lautverschiebungen, er entwarf „Sprach-Stammbäume“, die er ständig überarbeitete. Immer wieder verwarf er frühere Theorien.
Aus dem Nachlass, insbesonders der HME, geht hervor, dass er sich mehrmals über eine 'Göttersprache' den Kopf zerbrochen hat. Eine erste Erwähnung findet sich in HME, Bd. 5, Kapitel V The Lhammas, verfasst um 1930. Im Teil 'From the Valian Tongues and their descendants“ schreibt Tolkien: „From the beginning the Valar had speech, and after they came into the World, they wrought their tongue for the naming and glorifying of all things therein.“ Oromë traf als Erster auf die am See Cuiviénen erwachten Elben „and they learned after their capacity the speech of the Valar“. Diese Sprache heißt Valian. Da die Götter unsterblich sind, bleibt ihre Sprache fast unverändert, während sie sich bei den Elben durch Lautveränderungen und Erneuerungen wandelt und viele Varietäten entwickelt. Hier ist Tolkien überzeugt, dass sich alle Sprachen Ardas, Quenya, Orkisch, Zwergisch und die Menschensprachen letztlich von Valian ableiten, diese also die Ursprache sei. Zur Ilustration verfertigt er sogar zwei Versionen eines Sprachen-Stammbaums, „Tree of Tongues“. Valian selbst kennt drei Untersprachen: das Aulische, das Melkorische und das Orome'ische, von letzterem leiten sich alle Elben- und Menschensprachen ab.
Später verwarf Tolkien diese These und meint, es habe keine eigene Valar-Sprache gegeben. Rhona Beare fragte ihn nach der Bedeutung der Namen Manwë und Varda, und Tolkien antwortete ihr (Letter No. 211 von 1958): „Since the Valar had no language of their own, not needing one, they had no 'true' names, only identities, and their names were conferred on them by the Elves.“ Die Valar, als Geistwesen, kommunizierten untereinander demnach wort- und sprachlos, telepathisch.
Zwei Jahre später hatte es sich Tolkien wieder anders überlegt. In HME Bd.11 Kapitel „Quendi und Eldar“ (verfasst ca.1960) legt er seine letzte (?) Theorie dazu in 'Note on the 'Language of the Valar'' dar. Die Valar haben wieder eine eigene, sogar sehr eigene Sprache! Sie ist einzigartig, mit keiner der anderen Sprache Ardas und Mittelerdes verwandt und daher auch nicht deren Usprung! Die Eldar nenen sie Valarin oder lambe valarinwa. Anders als für das Valian in den Lhammas gibt es für das Valarin mehr als 20 Wortbeispiele, einige auf der ersten Seite angeführt.
Tolkiens Informant ist Pengolodh, Gelehrter und Sprachforscher aus Gondolin (Tolkiens 'alter ego?), der sich wiederum auf den Weisen des Ersten Zeitalters, Rúmil in Aman beruft. Wir erfahren recht viel über Sinn und Gebrauch der lambe valarinwa. Die Valar benötig(t)en an sich keine Sprache; sie kommunizierten geistig, mit großer Geschwindkeit und Klarheit, miteinander. Als sie jedoch in die Welt traten, um der in der Musik der Ainur entstandenen Vision von Arda Wirklichkeit zu geben, nahmen sie körperliche Gestalt an. Sprachfähigkeit zeichnet, nach Tolkien, jedes 'Incarnate', körperliche Wesen mit Geist und Seele, aus. Daher schufen sich auch die Valar, 'Self-incarnates', eine eigene Lautsprache, um dem Bild der künftigen Kindern Ilúvatars zu ähneln. Pengolodh: „For the Valar and Maiar could transmit and receive thought directly (by the will of both parties) according to their right nature, and though the use of bodily form (albeit assumed and not imposed) in a measure made this mode of communication less swift and precise, they retained this faculty in a degree far surpassing that seen among any other of the Incarnates“. In ihrer Lautsprache, das die Elben dann Valarin nannten, kommunizierten sie miteinander schon in den langen Zeitaltern vor dem Erwachen der Elben am See Cuiviénen. Die Kraft der Telepathie wurde durch das Sprechen etwas schwächer, aber auch einige Elben besaßen eine eindrucksvolle Fähigkeit für Empathie und Gedankenlesen (Felagund, Galadriel).
Die Elben nannten sich selbst Quendi („die mit Stimme sprechen“), sie bildeten eine Sprache, liebten Worte, freuten sich, Dingen Namen zu geben und waren stolz auf deren Wohlklang. Oromë fand bei einem seiner Besuche Mittelerdes die im Sternenlicht erwachten Elben und trat mit ihnen in Kontakt. Tolkien verrät jedoch nicht, wie die Verständigung bei dieser Begegnung verlief!? In welcher Form der Kommunikation wurden die Anführer der Quendi/Eldar, Ingwë, Finwë und Elwë in Aman begrüßt? Als Vanyar und Noldor in Aman ankamen, hörten sie wohl erstmals eine andere als ihrer eigene Sprache; diese lambe valarinwa der Gottwesen aber war für sie eher erschreckend. „For the tongues and voices of the Valar are great and stern, and yet also swift and subtle in movement, making sounds that we find hard to counterfeit; and their words are mostly long and rapid“, wird Rúmil zitiert.
Die der Ästhetik hingegebenen Eldar waren wenig motiviert, das Valarin zu erlernen, es hätte zungenbrecherische Übungen mit teils achtsilbigen Wörtern und vielen, ihrem eigenen Lautsystem fremden Konsonanten bedeutet! Die Valar hatten hingegen keine Mühe, sich in der Sprache der Eldar auszudrücken, die ihnen wegen ihres Wohlklangs gut gefiel. Anfangs gebrauchten sie Valarin noch bei großen Feiern und Ratsversammlungen, später aber verwendeten sie auch untereinander immer mehr das Quenya. Die Eldar ihrerseits übernahmen etliche Wörter oder Wortteile des Valarin, angepasst, verkürzt, übersetzt, ins Quenya, meist Namen und Attribute der Götter, Ortsbezeichnungen und Begriffe aus dem Rechts- und Kultwesen.
Aus ayanuz (gehörend zum Orden der Valar und Maiar) wird Q. ainu, daraus aina: heilig
aus akašan (Eru sagt) wird Q. axan (Recht, Gesetz)
aus Mänawenüz (Der Gesegnete) wird Q.Manwe
aus Ezellŏxär (Der Hügel der zwei Bäume) wird Q. Ezellohar
aus akašan (Eru sagt) wird Q. axan (Recht, Gesetz)
aus Mänawenüz (Der Gesegnete) wird Q.Manwe
aus Ezellŏxär (Der Hügel der zwei Bäume) wird Q. Ezellohar
Reine Valarin-Wörter (nicht ins Quenya übernommen) sind z.B.: uruš, rušur (Feuer), ithir (Licht), šebeth (Luft). Ein uns bekannter Wortteil hat möglicherweise eine Valarin-Wurzel: „Naz“, von naškad/naxar – Ring; siehe nazgûl/Ringgeist (Melkor war ein Vala, Sauron ein Maia).
Linguistische Aspekte: Wer mehr über Tolkiens Sprachen wissen will, kommt an Helge Kåre Fauslanger nicht vorbei (empfehlenswert www.ardalambion); er betrachtete auch Valarin und dessen Morphologie, wofür die Angaben fürs Valarin dürftig sind, es gibt nur Einzelwörter aber keine Sätze. Die Ansicht mancher Fans, Tolkien habe sich fürs Valarin vom Babylonischen inspirieren lassen (alt-semitische Sprache, oft mit sehr vielen Silben), bezweifelt Fauslanger und meint, Tolkien hatte wohl nur das Ziel, ein besonders fremdartig klingendes, kompliziertes, Sprachbild zu schaffen! Zur Sprachgeschichte lässt Tolkien Pengolodh allerdings spekulieren, ob nicht doch einige der im Dritten Zeitaler noch benutzten Sprachen mit dem Valarin verwandt sein könnten, etwa Khuzdul (von Aulē den Zwergen verliehene Sprache) oder Adunaïsch (beeinflusst - über Aulĕ - vom Zwergischen einerseits und - über Melkor - vom Orkischen andererseits). Somit knüpft Tolkien in einigen Punkten wieder an seine Theorie von 1930 an.
Die Transmission: Tolkien war nicht nur von unermesslicher Phantasie sondern blieb daneben auch ein Perfektionist. Um seine Mythologie und die Sprachevolution(en) glaubhaft zu machen, wollte er einen Weg für das Tradieren des Wissen von den 'Elder Days' aufzeigen. Der Sprachgelehrte Rúmil taucht schon in 'The Lost Tales“ (HME, Bd 1) auf, wo er dem Reisenden Eriol im „Cottage of Lost Play“ von den Göttern erzählt. Später bringt Tolkien den Seefahrer Ælfwine nach Tol Eressēa, wo ihm Pengolodh über Vergangenes berichtet. Diese reisenden 'Mittelsmänner' hat Tolkien dann aufgegeben. „The Valar and their language“ enthält Vermutungen Pengolodhs über die Weitergabe von mündlichem und schriftlichem Wissen über die Zeitalter hinwegt. Rúmil gilt als der Verfasser der Ainulindalë, Pengolodh glaubt jedoch, dass die Valar selbst für ihn Niederschriften über die Vorzeit anfertigten: von Eru, von der Schöpfung, von der Entstehung Ardas, vom Wesen der Götter, vom Kampf mit Melkor. Es ist nicht bekannt, ob Rúmil in Aman blieb oder mit den Noldor ins Exil ging. Aber ein weiterer Wissbegieriger war ja Fëanor, der sich mit der seltsamen Valar-Sprache auseinandergesetzt und diese zum Teil erlernt hat. Könnte über ihn das bei Rúmil angesammelte Wissen nach Mittelelerde gelangt sein? Alle Überlieferungen über die 'Elder Days' wurden später in Gondolin von Pengolodh gesammelt und analysiert und gelangten mit ihm nach Tol Eressëa. Sind sie von dort - über die Freundschaft der Elben mit Númenor an die Menschen gelangt, von dort nach Gondor und ins Dritte Zeitalter, bis hin ins Rote Buch der Westmarch, ….und letztlich zu Tolkien und zu uns............?
Pengolodh erwähnt eine Legende von Fëanor auf seinem Weg ins Exil: als die Nebel von Aramar die entfernten Berge von Valinor verhüllten, soll er die Hände gehoben und gerufen haben : „I go, neither in light nor in shadow will I look upon you again, Dahanigwishtilgün“.
Meinte er von Tanaquetil, der Wichtigtuer?
Pengolodh erwähnt eine Legende von Fëanor auf seinem Weg ins Exil: als die Nebel von Aramar die entfernten Berge von Valinor verhüllten, soll er die Hände gehoben und gerufen haben : „I go, neither in light nor in shadow will I look upon you again, Dahanigwishtilgün“.
Meinte er von Tanaquetil, der Wichtigtuer?
Alduild „Fimbrethil“ Fürst